Steuerreform: Gesetzesflut überschwemmt Österreich
Gut gelaunt öffnet der Gemüsehändler Huber am Rosenmontagmorgen sein Geschäftslokal und wird bereits an der Tür von einem riesigen Wasserschwall begrüßt. Ein Wasserrohrbruch reißt ihn feucht – und gar nicht fröhlich – aus seiner Faschingsstimmung. In der ersten Panik bringt er Computer, Registrierkasse und Waren soweit wie möglich in Sicherheit und ruft den nächstgelegenen, ihm jedoch völlig unbekannten Installateur F. um Hilfe.
Binnen 15 Minuten erscheinen zwei stattliche junge Handwerker und beheben den Schaden zur vollsten Zufriedenheit Hubers. Alles in Ordnung, der Schaden hält sich auf den ersten Blick in Grenzen. Herr Huber begleicht die Rechnung (600 Euro netto + 20% USt) bar und ist erleichtert, denn er hat nicht bedacht, dass wir uns bereits im Jahr 2016 befinden, in dem mit 1. Jänner – wie passend – auch eine Flut neuer Gesetze in Kraft getreten ist. Nun steht Herr Huber zwar nicht mehr kniehoch im Wasser, jedoch mit etwas Pech mit einem Bein „im Kriminal“. Warum?
1) Herr Huber hat sich nicht vergewissert, dass der durch ihn beauftragte Installateur F kein Scheinunternehmer ist. Dies kann unter Umständen verhängnisvoll und teuer für Herrn Huber werden.
Hintergrund:
Seit 01.01.2016 gilt das „Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz“. Besteht der Verdacht, ein Unternehmer hätte etwa für ihn tätige Mitarbeiter nicht bei der SVA angemeldet, oder hätte Personen angemeldet, die gar nicht im Unternehmen tätig sind und empfangen diese Sozialleistungen, wird seitens der Finanzbehörde von einem Scheinunternehmen ausgegangen. Dieser Verdacht wird hinkünftig den Betroffenen durch die Behörde formlos (kein RSa od. RSb-Brief) mitgeteilt. Der Verdächtige hat daraufhin eine Woche Zeit persönlich bei der Behörde vorstellig zu werden und seine Sicht der Dinge zu schildern.
Versäumt der Unternehmer aufgrund der formlosen Zustellung selbst oder aus sonstigen Gründen diese Frist, ergeht ein Bescheid, in dem er als Scheinunternehmer qualifiziert wird. Besonders ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdefrist (üblicherweise 1 Monat) gegen diesen Bescheid auf eine Woche verkürzt wurde.
Langt binnen dieser Frist keine Bescheidbeschwerde (vormals Einspruch) bei der Behörde ein, wird in weiterer Folge der Name des Unternehmens auf einer „Blacklist“ unter www.bmf.gv.at im Internet veröffentlicht und bei eingetragenen Unternehmen sogar im Firmenbuch die Anmerkung „Scheinunternehmen“ eingefügt.
Wer diese gesetzliche Maßnahme als rigoros empfindet, sollte am besten nicht weiterlesen, denn jetzt folgt der Tragödie zweiter Teil:
Folgen für den Vertragspartner:
Sollte sich nämlich herausstellen, dass der Installateur F als Scheinunternehmer auf der Liste des BMF aufscheint, so wird dieser Umstand seitens der Behörde als für den Geschäftspartner – also Herrn Huber – bekannt vorausgesetzt. Herr Huber hat sich somit aus Behördensicht „wissentlich“ der Beihilfe zur Abgabenhinterziehung „schuldig“ gemacht und haftet sowohl für die Arbeitsentgelte als auch für die nicht abgeführten Lohnabgaben im Umfang der bei ihm tätig gewordenen beiden stattlichen jungen Handwerker. Um nicht in die Haftung genommen zu werden, trifft nun Herrn Huber die Beweispflicht, dass hier eine Notsituation vorgelegen hat und eine Nachschau im Internet durch das in Sicherheit bringen des Computers nicht möglich und er daher unwissend war. Alles in allem bleibt für den Unternehmer Huber trotz Schuldlosigkeit bestenfalls eine Unannehmlichkeit und bürokratische Hürde mehr.
TIPP: Insbesondere bei Kontakt mit Ihnen unbekannten Firmen im Bau- und Baunebengewerbe empfehlen wir zu Ihrem eigenen Schutz, einen Blick auf die veröffentlichte Liste des BMF zu werfen, bevor Sie in Geschäftsverbindung treten. Angemerkt wird, dass bis Ende Jänner 2016 noch kein einziges Scheinunternehmen in der „Blacklist“ eingetragen war.
2) Steuerliche Nachteile durch Barzahlung
Herr Huber hat die Rechnung des Installateurs bar bezahlt (Nettobetrag 600 Euro). Installateurtätigkeiten an Rohrleitungen, seien sie herstellend oder instandhaltend, betreffen immer Gebäude und sind daher als Bauleistungen bzw. Baunebenleistungen zu qualifizieren. Für die Bezahlung von Bauleistungen gilt – Steuerreform sei Dank – seit 01.01.2016, dass diese, werden sie von einem auftraggebenden Unternehmer bar beglichen, nur im Ausmaß von maximal 500 Euro steuerlich abzugsfähig sind (§ 20 Abs 1 Z 9 EStG). Ist der Rechnungsbetrag nur einen Euro höher, so ist der gesamte (!) Betrag nicht abzugsfähig. Herr Huber kann somit Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von 600 Euro nicht gewinnmindernd absetzen. Selbst wenn Huber gegen Wasserschäden versichert ist und ihm die Versicherung den Gesamtschaden in Höhe von 600 Euro ersetzt, bleibt er dennoch auf dem steuerlichen Nachteil sitzen, da er die gesamten 600 Euro voll versteuern muss.
TIPP: Begleichen Sie von Ihnen beauftragte Bauleistungen für Ihren Betrieb ausschließlich durch Überweisungen. Gibt Ihnen das leistende Bauunternehmen keine Bankverbindung bekannt, ist dies ein Indiz dafür, dass sie allenfalls mit einem Scheinunternehmer zu tun haben.
3) Registrierkassenpflicht
Im Zuge der Aufräumarbeiten nach dem Wasserschaden stellt Herr Huber am Faschingsdienstag fest, dass die Registrierkasse nicht mehr funktioniert. Da sich der Gemüsehändler vom Aschermittwoch, einem strengen Fasttag, gute Umsätze erwartet, möchte er sein Geschäft sofort wieder öffnen. Da er nicht genau weiß, welchen Schaden die Registrierkasse genommen hat, überlässt er diese einem Experten zur Reparatur und erfasst in der Zwischenzeit die Barumsätze händisch. Nach zwei Wochen erhält Herr Huber die reparierte Registrierkasse zurück und führt sein Geschäft wie gewohnt fort.
Selbst mit der Absicht, die händischen Aufzeichnungen penibel genau und akribisch zu führen, handelt Herr Huber gesetzeswidrig. Auch wenn die Registrierkassensicherheitsverordnung erst ab 2017 eine Meldung über den Ausfall der Registrierkasse „ohne Aufschub“ bei Finanz-Online vorsieht, so sind bereits ab 1.1.2016 bei einem Ausfall der Registrierkasse die Barumsätze auf anderen Registrierkassen zu erfassen. Ist dies nicht möglich, müssen die Barumsätze händisch erfasst und zusätzlich Zweitschriften der Belege aufbewahrt und allenfalls bei Prüfungen der Finanzbehörde vorgelegt werden.
Anhand dieser Zweitschriften sind die Einzelumsätze nach der Fehlerbehebung in der Registrierkasse nachzutragen. Vergleichsweise harmlos muten diese Folgen im Jahr 2016 zu jenen Konsequenzen an, die 2017 auf Unternehmer warten. Dann führt nämlich eine nicht zeitnahe Meldung über den Ausfall der 2017 im Registrierkassensystem verpflichtend verankerten Signaturerstellungseinheit automatisch zur Vermutung durch die Finanz, dass eine nicht ordnungsgemäße Losungsermittlung und sohin nicht ordnungsgemäße Buchführung vorliegt. Das Finanzamt ist in diesem Fall zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ermächtigt (§ 184 BAO).
TIPP: Erkundigen Sie sich bereits jetzt über „Back-up“ –Möglichkeiten Ihrer Registrierkasse. Siart + Team berät Sie gerne bei Problemen mit der neuen Registrierkassenpflicht
4) Belegerteilungspflicht
§ 132a BAO verpflichtet Herrn Huber ab 01.01.2016 jedem seiner bar zahlenden Kunden – das sind auch jene, die mittels Bankomat- oder Kreditkarte, Barscheck oder Gutscheinen und dergleichen bezahlen – einen Beleg auszustellen. Dieser Beleg muss im Jahr 2016 mindestens folgende Angaben enthalten:
- Bezeichnung des liefernden bzw. leistenden Unternehmers
- Fortlaufende Nummer zur Identifizierung des Geschäftsfalls
- Datum der Belegausstellung
- Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände
- Betrag der Barzahlung (es genügt, dass dieser anhand der Belegangaben errechenbar ist)
- Ab 2017: u.a. auch maschinenlesbaren QR-Code
Man stelle sich nun die Länge der Schlange an Kunden vor dem Gemüsegeschäft des Herrn Huber vor, wenn die elektronische Registrierkasse samt Drucker nicht verfügbar ist und Herr Huber gesetzeskonform jedem Kunden Belege iSd § 132 a BAO händisch ausstellen will bzw muss. Vermutlich wird ein Großteil der Kunden heute auf Gemüse verzichten.
Darüber hinaus sei noch angemerkt, dass Kunden, die trotz Warteschlange die Geduld aufbringen und schließlich bedient werden, per Gesetz dazu verpflichtet sind, den erhaltenen Beleg zumindest bis außerhalb der Geschäftsräume mitzunehmen (Belegentgegen- und Belegmitnahmepflicht).
Man sieht: Budgetnot macht erfinderisch. Der Wille des Gesetzgebers, das Steueraufkommen zu optimieren, geht nämlich sogar soweit, dass die Finanzbehörde Kunden vor Geschäften dazu auffordern darf, den erhaltenen Beleg vorzuweisen. Können diese keinen Beleg vorweisen, so ist dies für den Kunden zwar (noch) nicht strafbar, kann allerdings mit Unannehmlichkeiten verbunden sein, wenn etwa der behördliche Verdacht gegen den Unternehmer zu einem Verfahren führt, in dem der „ertappte“ Kunde dann als Zeuge vorgeladen werden kann.
TIPP: Natürlich können Sie als belegerteilender Unternehmer Ihren Kunden nicht dazu zwingen, den ausgestellten Beleg auch mitzunehmen. Zur Vermeidung des allenfalls aufkommenden Verdachts, gegen die Belegerteilungspflicht zu verstoßen, könnte manch Unternehmer sohin auf die Idee kommen, ein Behältnis zu verwenden, in dem sämtliche nicht entgegen- und mitgenommenen Belege der Kunden gesammelt werden oder die Kunden selbst den erhaltenen Beleg hineinwerfen können.
Kuriosum am Rande:
Bedenken Sie aber, wo Sie dieses Behältnis platzieren. Steht der Behälter innerhalb des Geschäftslokals, wird gegen die Belegmitnahmepflicht verstoßen, da der Beleg bis außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten verbracht werden muss. Steht der Behälter jedoch außerhalb des Geschäftes, befindet er sich im öffentlichen Raum, was unter Umständen zu entrichtende Gemeindeabgaben nach sich zieht.
veröffentlicht: 4. Februar 2016